Traumtanz: FC Zürich 1976/77

Die Frage nach der Nummer 1 in der Stadt war längst geklärt. Aber auch im ganzen Land führte kein Weg am FC Zürich vorbei. Seit drei Jahren dominierten die Blau-Weißen die Schweizer Meisterschaft und hatten gegenüber dem „Pack“, wie die FCZ-Anhänger den Lokalrivalen Grasshopper-Club spöttisch nennen, gut lachen. 1974 verwiesen sie den „GC“ mit zwölf Punkten Vorsprung auf Platz zwei, ein Jahr später waren es „nur“ noch sechs Punkte. In der Saison 1975/76 setzten sie allerdings noch einen drauf und holten nach dem 1:0-Pokalsieg gegen Servette Genf auch noch das Double.

Nun wollte Trainer Friedhelm „Timo“ Konietzka, der seit 1971 bei den Zürchern auf der Bank saß, auch international mal endlich etwas bewegen. Denn in den beiden vorangegangenen EC1-Auftritten hatte der FCZ Pech. 1974/75 traf er bereits in Runde eins auf den späteren Finalisten Leeds United (1:4, 2:1). Und ein Jahr später vergaloppierten sich die Schweizer gegen den ungarischen Serienmeister Újpesti Dózsa, als sie schon im Hinspiel in Budapest die Entscheidung erzwingen wollten, ins offene Messer liefen und mit einer deftigen 0:4-Packung im Gepäck zurückkehrten. Um ein Haar hätte der FCZ allerdings im Rückspiel Fußball-Geschichte geschrieben. Der jugoslawische Torjäger Ilija Katić hatte bereits nach zwei Minuten das 1:0 erzielt, und Peter Risi (23’, 38’) sowie Jakob „Köbi“ Kuhn (45’) noch vor der Pause das Hinspiel-Resultat egalisiert! Am Ende hieß es allerdings „nur“ 5:1 für die Zürcher, der Traum vom Einzug ins EC1-Halbfinale war geplatzt.

Karl Grob

Die Begeisterung über das Erstrunden-Los Glasgow Rangers für die Kampagne 1976/77 war nicht gerade groß, denn die britischen Klubs waren auf dem Festland allgemein gefürchtet. Aber Konietzka hatte ein ganz anderes Problem. Er musste den Verlust seines Goalgetters Katić verkraften. Der deutsche Coach hatte schon in den Jahren zuvor prominente Abgänge kompensiert, so etwa den von Daniel Jeandupeux, Schweizer Torschützenkönig 73/74, nach Bordeaux oder den von Abwehrchef Renzo Bionda zum FC Lugano. Für Jeandupeux kam Torjäger Risi auf den „Letzi“, wie das Stadion Letzigrund im Volksmund genannt wird, Pius Fischbach ersetzte Bionda. Beide Spieler kamen vom FC Winterthur, der damals so etwas wie der „Hauptlieferant“ des FCZ war.

Vor der Saison 1976/77 verstärkte Konietzka seinen Kader gezielt in jedem Mannschaftsteil: Für die Abwehr holte er sich aus Lausanne Pierre-Albert Chapuisat, genannt „Gabet“ und Vater des späteren Schweizer Aushängeschilds Stéphane. Als Antreiber im Mittelfeld hatte der Trainer schon länger ein Auge auf seinen Landsmann Hans-Joachim („Hanjo“) Weller vom VfB Stuttgart geworfen, der gönnerhafte FCZ-Präsident Edwin „Edi“ Nägeli erfüllte ihm diesen Wunsch. Fehlte nur noch der Katić-Ersatz als Sturmpartner für Risi. Hier wurde Konietzka beim FC Sion fündig und besetzte mit dem Italiener Franco Cucinotta auch gleich die zweite Ausländerposition. Der Rest der Truppe um das 20-jährige Mittelfeld-Talent René Botteron und vor Keeper Karl Grob war ein eingespielter Haufen – und bereit für die Rangers.

Franco Cucinotta, Timo Konietzka, Peter Risi
GLASGOW RANGERS

30.000 erwartungsfrohe Zuschauer säumten am Abend des 15. September 1976 die Ränge des Ibrox Park, die Blues waren bei den Buchmachern haushoher Favorit, schließlich standen beim Anpfiff sechs Akteure auf dem Platz, die vier Jahre zuvor noch den Cup der Pokalsieger geholt hatten. Doch die Schlachtrufe der Rangers-Fans verstummten nach gerade mal 50 Sekunden. Risi war auf der linken Seite durchgebrochen und hatte trocken abgezogen. Sein Schuss knallte an den Pfosten, Cucinotta war zur Stelle und staubte zum 0:1 ab. Dass dies kein Zufallsprodukt war, sollte sich im weiteren Verlauf der Partie zeigen, als sich die von Konietzka taktisch hervorragend eingestellten Zürcher auch in technischer Hinsicht überlegen zeigten. Vor allem Risi im Sturm und Botteron aus dem Mittelfeld ließen immer wieder ihre Qualitäten aufblitzen, während Kuhn und Hilmar Zigerlig die Abwehr zusammen hielten. Die Rangers hatten ihre beste Phase in den 20 Minuten vor der Pause, und hätte FCZ-Keeper Grob nicht einen so ausgezeichneten Tag erwischt, wäre eine Niederlage wohl die logische Folge gewesen. In der 34. Minute konnte aber auch er den Ausgleich nicht vermeiden: Derek Johnstone köpfte die Kugel an den Querbalken, Derek Parlane verwertete den Abpraller zum 1:1. Gegen Ende wurden die ungeduldigen Schotten immer ruppiger, doch der Siegtreffer wollte ihnen nicht mehr gelingen. Parlane traf noch einmal den Pfosten, allerdings hatten die Rangers auf der Gegenseite Glück, dass auch der für Cucinotta eingewechselte Pirmin Stierli nur die Innenseite des Gestänges traf. Es blieb beim gerechten 1:1, und die schottische Tageszeitung Daily Record lobte den FCZ: „Ein starker Gegner, der das Spiel beruhigt und dann urplötzlich gefährlich wird.“

Das Rückspiel vor 28.000 Zuschauern im ausverkauften Letzigrund war nichts für schwache Nerven. Konietzka musste auf den verletzten Risi verzichten und warf für ihn den blutjungen Fredy Scheiwiler ins kalte Wasser. Der durfte bereits in der achten Minute seinem Kollegen Rosario Martinelli um den Hals fallen, der – nach einem steilen Zuspiel Wellers – den baumlangen Rangers-Keeper Peter McCloy zum frühen 1:0 überwand. Wie 14 Tage zuvor in Ibrox versuchte der FCZ um den starken Kapitän „Köbi“ Kuhn, den Ball ruhig durch die eigenen Reihen laufen zu lassen, doch diesmal machten die Rangers nicht mit. Sie rissen die Partie an sich und erspielten sich 80 Minuten lang Chance um Chance, die aber der wieder einmal glänzend aufgelegte Grob allesamt zunichte machte. Der spanische Unparteiische zückte acht Gelbe Karten – vier auf jeder Seite – und stellte in der Nachspielzeit den zuvor bereits verwarnten Johnstone wegen Reklamierens vom Platz. Die Überraschung war perfekt, der Jubel riesengroß – endlich hatte der FCZ auch international unter Beweis gestellt, über eine großartige Mannschaft zu verfügen. Der Erfolg der Zürcher hatte an diesem Abend einen Namen: Karl Grob. Rangers-Coach Jack Wallace ging nach der Partie in die FCZ-Kabine, um dem Küsnachter persönlich für seine Leistung zu gratulieren. „In Europa hat kein Torhüter bessere Reflexe“, gab er in der anschließenden Pressekonferenz zu Protokoll.

TURKU PS

Die Auslosung zur zweiten Runde meinte es wesentlich besser mit den Zürchern, die es nun mit den biederen Finnen von Turku PS zu tun bekamen. Das Team aus der Hafenstadt im Südwesten Finnlands hatte im Kalenderjahr 1975 seine bis heute letzte Meisterschaft gewonnen und sich dadurch für den EC1 qualifiziert. In der Runde zuvor hatten sich die Finnen unglaublich schwer getan und gegen die Sliema Wanderers sogar kurz vor dem Aus gestanden. Nach der 1:2-Niederlage auf Malta gelang TPS zu Hause erst in der 85. Minute durch Heikki Suhonen das entscheidende 1:0.

„Einen Sieg mit mindestens drei Toren Unterschied“, verlangte daher Konietzka von seinen Jungs vor dem Heimspiel gegen den finnischen Champion, der in der heimischen Meisterschaft, der Mestaruussarja, überraschenderweise mitten im Abstiegskampf steckte. Martinelli, der Siegtorschütze aus dem Rangers-Spiel, war da bereits nicht mehr an Bord – er war zum FC Chiasso abgewandert. Der immer noch verletzte Risi sowie der gesperrte Verteidiger Max Heer fehlten ebenfalls. Chancen gab es dennoch haufenweise, aber nur Cucinotta (17’) und Scheiwiler (71’) trafen ins Schwarze. Die Latte (Cucinotta, 60’), mangelnde Kaltschnäuzigkeit und der überragende TPS-Torwart Göran Enckelman verhinderten ein höheres Ergebnis zu Gunsten der Schweizer. Enckelman war als werdender Vater in der Form seines Lebens. Fünf Monate nach diesem Duell kam Sohn Peter zur Welt, der wie sein Vater finnischer Nationalkeeper werden und seine Brötchen in England – unter anderem bei Aston Villa und den Blackburn Rovers – verdienen sollte.

Beim Rückspiel im eiskalten Åbo, so die schwedische Bezeichnung der zweisprachigen Stadt Turku, verloren sich gerade mal 823 Menschen auf den verschneiten Rängen des 12.000 Zuschauer fassenden Stadions Kupittaan. Die katastrophalen Platzverhältnisse ließen kein geordnetes Spiel zu, und gerade, als ein Schneegestöber über das Stadion hinweggefegt war, erzielte Cucinotta mit einer schönen Einzelleistung das einzige Tor des Tages (70’). „Wir sind eine Runde weiter. Wie, das spielt keine Rolle“, kommentierte Konietzka.

DYNAMO DRESDEN

Die Auslosung des Viertelfinals wurde ausgerechnet in Zürich vorgenommen. Hatten in der Runde zuvor die verbliebenen Teams auf Turku als leichten Gegner gehofft, war es nun der FCZ, der auf der Wunschliste der anderen sieben Klubs ganz oben stand. Es traf den DDR-Vertreter Dynamo Dresden, der immerhin Benfica Lissabon und Ferencváros Budapest mit starken Heimauftritten eliminiert hatte. Überhaupt die Heimstärke Dynamos: Gerade mal ein einziges Spiel hatten die Dresdner in ihrer Europapokalgeschichte vor heimischem Publikum verloren, und für die 0:1-Niederlage gegen den späteren Cupgewinner Liverpool FC im EC3 1972/73 mussten sie sich keineswegs schämen.

Die 19.000 auf dem Letzigrund hatten sich eigentlich schon mit dem 1:1 abgefunden, da schlug Risi 45 Sekunden vor Ablauf der regulären Spielzeit zu und erzielte das „Tor der Hoffnung“, wie es die Zeitung Sport nannte. Der Torjäger hatte eine Hereingabe von Ernst Rutschmann an Dynamo-Keeper Ernst Jakubowski vorbei in die Maschen geköpft. In einem spannenden Spiel auf morastigem Untergrund war es Cucinotta, der seine Farben nach 41 Minuten und schöner Vorarbeit Stierlis mit einem durchaus haltbaren Schuss 1:0 in Führung gebracht hatte. Doch nach der Pause versäumten es die Schweizer, den Vorsprung auszubauen und erhielten in der 76. Minute die Quittung, als der eingewechselte Hansi Kreische mit seinem ersten Ballkontakt nach einem Eckball mit dem Knie den Ausgleich markierte. Fünf Minuten vor dem Ende lag sogar das 1:2 in der Luft, doch Risis Auftritt in der Schlussphase bescherte den Blau-Weißen den dritten Sieg im dritten EC-Heimspiel. „Wir waren heute schwächer als bei unseren Auswärtsspielen in Lissabon und Budapest“, entschuldigte sich Dynamos Trainer Walter Fritzsch. „Aber das 1:2 ist ein gutes Resultat und spricht in der Endabrechnung wohl doch für uns.“

Anscheinend war dem Coach aber entgangen, dass der FCZ nicht mit Glück gewonnen hatte, sondern vor allem in punkto Schnelligkeit und Kondition den Dresdnern mehr als ebenbürtig war. Botteron und Chapuisat waren die herausragenden Akteure auf dem Feld, Kuhn und Weller – der eines seiner besten Spiele überhaupt für Zürich ablieferte – zogen die Fäden im Mittelfeld. „Es war ein hervorragendes Spiel von uns, aber mit dem Resultat bin ich nicht zufrieden“, grantelte Konietzka, der wohl ebenfalls dachte, dass dieses dünne Polster nicht reichen würde.

35.000 Zuschauer drängten sich während des Rückspiels ins Dynamo-Stadion. Der DDR-Fußball war in jenen Tagen erfolgsverwöhnt. Die Nationalmannschaft hatte sich 1974 erstmals für eine WM qualifiziert, dort den „großen Bruder“ BRD bezwungen und sich zwei Jahre später auch noch die Goldmedaille bei den Olympischen Spielen geholt. Der 1.FC Magdeburg hatte zudem 1974 überraschend den EC2 gewonnen. Und Dynamo Dresden war als Serienmeister Dauergast in europäischen Viertelfinals. Jetzt wollten sie erstmals in die Runde der letzten Vier, und gegen den FC Zürich sollte das doch ein Kinderspiel sein.

Als Fischbach nach einer knappen Viertelstunde Dynamo-Ikone Reinhard Häfner von den Beinen holte und Hartmut Schade den fälligen Strafstoß sicher verwandelte (18’), schien tatsächlich alles seinen erwarteten Lauf zu nehmen. Aber: Häfner hatte sich bei der Aktion verletzt und musste ausgewechselt werden. Der neue Mann, Gerd Weber, konnte die Schlüsselfigur im Dresdner Spiel nicht gleichwertig ersetzen, und so bekam der FCZ trotz des Rückstandes Oberwasser. „Der Ausfall Häfners war von großer Bedeutung“, gab später auch Konietzka zu. „Das war so, als hätten wir ohne Botteron spielen müssen.“

Die Schweizer schalteten nun einen Gang hoch. Dass auch sie Stierli durch Rutschmann ersetzen mussten (19’), fiel nicht so sehr ins Gewicht. Cucinotta war es schließlich wieder, der nach Zusammenspiel mit Risi seinen fünften Europacup-Treffer und den Ausgleich markierte (37’). Zwei Tore mussten die Dresdner nun erzielten, und schafften es nach der Pause in Person von Kreische innerhalb von nur neun Minuten. Zunächst köpfte der Torjäger nach einem Eckball zum 2:1 ein (54’), anschließend erhöhte er nach einem Zuspiel Gert Heidlers – als die FCZ-Spieler in Erwartung eines Freistoßpfiffs einfach stehen geblieben waren – auf 3:1 (63’). Der Jubel währte nicht lange. Nur 60 Sekunden später ließ Jakubowski einen Scharfschuss Rutschmanns nur abklatschen und Risi schob zum 3:2 ein. In der Schlussphase warf Dynamo zwar noch einmal alles nach vorn, doch am Ergebnis änderte sich nichts. In der Addition stand es zwar unentschieden 4:4, aber auf Grund der Auswärtstorregel stand der FC Zürich im Halbfinale. „Zwölf Jahre war ich Profi in Deutschland – und jetzt komme ich erstmals in meinem Leben in ein Europacup-Halbfinale. Gibt’s denn das?“, wunderte sich Mittelfeldmotor Weller. Der Sport titelte derweil: „Das war Zürichs stolzester Erfolg.“ Chefredakteur Walter Lutz schrieb: „Richtig trainiert, richtig motiviert und mit der heute überall im Hochleistungssport erforderlichen sportlichen Einstellung sowie einem gesunden Ehrgeiz können auch Schweizer mithalten.“

Präsident Edi Nägeli, Timo Konietzka
LIVERPOOL FC

Edi Nägeli, ganz Präsident mit Hut und Zigarre, fiel seinen Spielern um den Arm und stellte sich den Reportern. Der Tabak-Millionär gehörte zu jener Sorte Vereinsboss, der mit Leib und Seele dabei ist. Plötzlich gehörte der FCZ zur europäischen Elite, und das machte Nägeli unglaublich stolz. Doch nun hatte es nur noch harte Brocken im Lostopf: Dynamo Kiew und Borussia Mönchengladbach etwa, zwei Jahre zuvor Europacupsieger im EC2 respektive EC3. Kiew hatte sogar gerade die dreijährige EC1-Regentschaft des FC Bayern beendet. Hinzu kam der amtierende UEFA-Pokal-Champion Liverpool FC, der am Beginn seiner glorreichsten Epoche stand und in einem mitreißenden Viertelfinal-Rückspiel den Vorjahresfinalisten AS St.-Étienne aus dem Wettbewerb gekegelt hatte. Und ausgerechnet die Reds wurden den Zürchern zugelost. Sicherlich ist das Duell mit den Beatles-Städtern und der Auftritt an der Anfield Road bis heute das absolute Highlight in der FCZ-Klubhistorie. Nur: Der LFC war eine Nummer zu groß. „Es war nur ein kurzes Träumchen“, wie der Sport nach dem Hinspiel im mit 30.000 Menschen vollgepferchten Letzigrund-Stadion schrieb.

Dabei hätte es besser gar nicht anfangen können, denn nach nur sechs Minuten führten die Zürcher mit 1:0. Tommy Smith hatte Scheiwiler, der sich auf der linken Seite gegen zwei Liverpooler durchgesetzt hatte, zu Fall gebracht und Risi den fälligen Strafstoß verwandelt – LFC-Keeper Ray Clemence, der die richtige Ecke ahnte, hatte noch die Finger dran. Doch nur sieben Minuten später fiel der ernüchternde Ausgleich. Nach Ray Kennedys Freistoß-Hereingabe fühlte sich niemand für den heranstürmenden Phil Neal zuständig, der den Ball seelenruhig annehmen und an Grob vorbei ins Netz spitzeln durfte. Zu diesem Zeitpunkt schien bereits klar, dass die Briten zu stark sein würden, zumal Kuhn, Scheiwiler, Chapuisat und Rutschmann angeschlagen in die Partie gegangen waren und Cucinotta gesperrt fehlte. Drei Minuten nach dem Wechsel setzte sich Steve Heighway, obwohl von Heer und Kuhn in die Zange genommen, durch und überwand Grob mit einem trockenen Linksschuss zum 1:2. Der FCZ warf nun alles nach vorn und lief prompt in einen Konter. Als Heighway allein auf Grob zustürmte, grätschte ihn Heer von hinten ab, Neal ließ sich vom Elfmeterpunkt nicht zwei Mal bitten (67’). Das 1:3 war natürlich bereits die Vorentscheidung. Der einzige, der sich die Hände rieb, war der FCZ-Schatzmeister. 150.000 Franken plus eine Million für die Fernsehrechte – die höchste Einnahme, die es bis dahin für ein Fußballspiel in der Schweiz je gegeben hatte. „Nach dem 1:1 wusste ich und wohl auch jeder andere im Stadion, dass gegen diese Klassemannschaft ein Erfolg meines Teams in dieser Verfassung nicht mehr drin war.“

An der Anfield Road war für den FC Zürich Schadensbegrenzung angesagt. Der in die Startelf zurückgekehrte Cucinotta erklärte selbstironisch: „Wir fahren zu unserem eigenen Begräbnis.“ So schlimm war es dann doch nicht. Immerhin hielten die Schweizer 33 Minuten lang ein 0:0, dann nutzte Jimmy Case eine Tändelei im Strafraum zum 1:0. In der Folge ließen die Liverpooler die Zügel etwas schleifen, erst in der Schlussviertelstunde sorgten erneut Case mit einem 25-Meter-Freistoß (77’) und Kevin Keegan mit einem Kopfball (80’) für klare Verhältnisse.

Kevin Keegan, Pius Fischbach

Mit einem 3:1 über Borussia Mönchengladbach kürte sich Liverpool später zum europäischen Champion und die Zürcher konnten sich damit trösten, erst kurz vor dem Ziel an der stärksten Mannschaft des Kontinents gescheitert zu sein. In der Meisterschaft reichte es allerdings mit vier Punkten Rückstand auf Servette Genf nur noch zu Rang drei, immerhin ließ der FCZ erneut das Team von der anderen Seite der Bahngleise, die Grasshoppers, hinter sich.

Hinter sich ließ der Klub allerdings auch seine beste Zeit. Kuhn und Zigerlig beendeten ihre Karrieren, Weller schloss sich dem Lokalrivalen Young Fellows an. Konietzka merkte, dass sich seine Zeit auf dem Letzigrund dem Ende entgegen neigte und wechselte ein Jahr später zu den Young Boys Bern, Cucinotta ging nach Chiasso. Das Team war auseinander gefallen. 1979 starb Klub-Boss Nägeli, und als im darauffolgenden Sommer Chapuisat (Lausanne) und Botteron (1.FC Köln) den FCZ verließen, war das Halbfinale gegen den Liverpool FC nur noch eine schöne Erinnerung.


EUROPAPOKAL DER LANDESMEISTER 1976/77

Glasgow Rangers – FC Zürich 1:1, 0:1
FC Zürich – TPS Turku 2:0, 1:0
FC Zürich – Dynamo Dresden 2:1, 2:3

FC Zürich – Liverpool FC 1:3 (1:1)
Zürich: Grob – Chapuisat, Heer, Zigerlig, Fischbach, Rutschmann (46’ Dickenmann), Kuhn, Botteron, Weller (58’ Aliesch), Risi, Scheiwiler. – Trainer: Konietzka.
Liverpool: Clemence – Neal, Smith, Hughes, Jones, McDermott, Kennedy, Fairclough, Case, Keegan, Heighway. – Trainer: Paisley.
Tore: 1:0 Risi (6’, Strafstoß), 1:1 Neal (13’), 1:2 Heighway (48’), 1:3 Neal (67’, Strafstoß). SR: Babacan (Türkei). Zuschauer: 30.000.
Zürich, »Stadion Letzigrund«, 6. April 1977

Liverpool FC – FC Zürich 3:0 (1:0)
Liverpool: Clemence – Neal, Smith, Hughes, Jones, McDermott, Kennedy, Johnson, Case, Keegan, Heighway (71’ Waddle). – Trainer: Paisley.
Zürich: Grob – Chapuisat, Heer, Zigerlig, Fischbach, Stierli, Kuhn, Botteron, Weller, Risi, Cucinotta. – Trainer: Konietzka.
Tore: 1:0 Case (33’), 2:0 Case (77’), 3:0 Keegan (80’). SR: Gonella (Italien). Zuschauer: 50.000.
Liverpool, »Anfield«, 20. April 1977

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